nachtgesang

es gab eine zeit
in der wir träumen konnten
ohne rücksicht, ohne angst
in der das gras grün war
und voller musik deine augen

es gab eine zeit
in der wir uns gedichte vorlasen
spät in der dunklen nacht
in der wir tranken und uns liebten
bis wir versanken
im mondschein

es gab eine zeit
in der wir jung waren
jung im herzen
jung im geist
eine zeit
in der wir schwarze bilder malten
und uns blumen pflückten

weil wir ja nicht mehr da sind
bald irgendwann …

Nachthimmel über dem Vondelpark, Amsterdam

Braun-gelbe Blätter

Rutschige Blätter liegen auf dem Boden. Sie sehen harmlos aus, wie sie da liegen, und in ihren neuen Farben strahlen. Fast schon sagen sie: „Schau, schau wie schön ich bin! Ich bin nicht mehr grün, wie alle anderen, ich bin jetzt gefärbt in meinem ganz eigenen Gelbton.“ 

Aber sie liegen dort auf dem Boden, weil der Baum sie nicht mehr halten kann, weil sie ihm zu viele sind, weil er Energie sparen muss, weil es kalt wird, weil es eisig wird, weil es Winter wird. Blumen wird es nicht mehr geben und auch das im Boden verwurzelte grüne Gras wird dann eingehüllt sein vom Raureif, sich nicht bewegen können, eingesperrt im Eis. Aber es doch wird da sein und den Weg mit seinem eisig schimmernden Grün säumen.

Warten

„19:30 Uhr“, lese ich und stecke mein Handy wieder ein

Vor einer halben Stunde wolltest du eigentlich schon bei mir sein

Bist du verletzt, weil mal wieder ein Besoffener die Kontrolle verliert?

Ist dir etwas anderes Schlimmes passiert?

Stellt ein Unfall ein Hindernis auf deiner Strecke dar?

Oder bist du selbst Teil dieser Gefahr?

Bist du gerade mit einer Infusion verbunden?

Oder hast du den Weg nur nicht gefunden?

Ja, das wird es sein, es gibt bestimmt kein Blut

Dein Orientierungssinn war ja noch nie sonderlich gut

„8:30 Uhr“, lese ich und stecke mein Handy wieder ein

Verfahren? Das kann doch gar nicht sein

Du hast ein Handy in der Tasche deiner Hose

Und jeder Fremde verrät dir den Weg gegen eine Rose

Was ist nur los, was hab ich getan?

Hast du dich absichtlich verfahr’n?

Habe ich einen großen Fehler gemacht?

Hast du über den letzten Witz gar nicht gelacht?

Was auch immer es war, warum kannst du es mir nicht einfach sagen?

Soll ich diese Scheiße jetzt einfach mal ertragen?

„20:30 Uhr“, lese ich und stecke mein Handy wieder ein

Einfach nicht kommen: Wie kann man nur so ein Arschloch sein?

Ist das deine Rache für irgendein schlimmes Wort?

Dann wünsche ich dich an einen noch viel schlimmeren Ort!

Ich Vollidiot stehe hier und warte auf dich

Und trotzdem zerstörst du mich

Komm doch einfach von deinem pinken Thron herunter

Dann beendest du diesen Tag froh und munter

Sonst wird mein Herz für dich zu Stein

Und diese Scheiße muss echt nicht sein

„10:30 Uhr“, lese ich und tippe meine Nachricht ein

„Es tut mir leid, war ich gemein!“

Bald ein „online“ und dann ein „schreibt…“ 

Was aber nicht lange bleibt

Gib mir doch eine Antwort gegen meinen Schmerz

Denn es zerreißt mir das ganze Herz

Aber wahrscheinlich tust du all das aus einem Grund

Ich wünschte nur, es käme aus deinem Mund

Dann werde ich es wohl oder übel akzeptieren

Aber ich kann dich nicht verlieren

„19:00 Uhr“, lese ich, doch kann diese Zahl kaum noch versteh’n

Musst du mir ein Messer in die Brust rammen, um das Herz darin zu seh’n?

Alles und jeder ändert sich

Und ich warte immer noch auf dich

Aber ich kann nicht länger stehen bleiben

Weil mich Ehrgeiz und Angst ungestört nach vorne treiben